“Green Supporting Factor”: ein Geschenk für Banken?

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Ist die Einführung eines „Green Supporting Factor“ nützlich oder unverantwortlich? Finance Watch glaubt er würde wenig für die Umwelt tun und das Bankensystem schwächen.

Anm.: Dieser Beitrag ist die Übersetzung eines Beitrags, der ursprünglich in englischer Sprache auf der Webseite von Finance Watch erschienen ist.

 

In ihrem Abschlussbericht, der am 31. Januar veröffentlicht wurde, hat sich die hochrangige Expertengruppe (HLEG) für ein nachhaltiges Finanzwesen damit beschäftigt, welche Bedingungen zur Einführung eines „Green Supporting Factor“ erfüllt sein müssten. Bei Finance Watch hinterfragen wir grundsätzlich den Nutzen einer solchen Gesetzesmaßnahme, ist das Risiko doch groß, dass sie zu einem Geschenk für Banken wird. Bei der Vorbereitung ihres Aktionsplanes zum nachhaltigen Finanzwesen in den kommenden Wochen sollte die Europäische Kommission andere Möglichkeiten in Betracht ziehen, um die Kreditvergabe an grüne Projekte zu fördern.

Die Idee klingt zunächst interessant: Als Anreiz für eine erhöhte Kreditvergabe an grüne Projekte sollen Banken von geringeren Eigenkapitalanforderungen profitieren. Die Idee ist schon allein deshalb hilfreich, als dass sie eine Diskussion über die Art und Weise der Kreditvergabe durch Banken anstößt. Auch wenn die Zielsetzung gut ist, wäre die Einführung eines sogenannten „Green Supporting Factor“ allerdings ein Schritt in die falsche Richtung. Er würde wenig für die Umwelt tun und darüber hinaus das Bankensystem schwächen.

Mithilfe eines „Green Supporting Factors“ würde Banken eine Eigenkapitalentlastung für ihre grüne Kreditvergabe gewährt, indem sie einen Abschlag auf die Risikogewichte anwenden, die für grüne Kredite gelten. Banken könnten diese Kredite dann mit weniger verlustabsorbierendem Eigenkapital finanzieren, als sie es sonst tun würden. Ganz konkret bedeutet dies, dass sich Banken höher verschulden können, was einer der Hauptfaktoren der letzten Finanzkrise war.

EU-Kommissar Valdis Dombrovskis schlug in seiner Rede im Dezember vor, einen „Green Supporting Factor“ einzuführen, um so Anreize für eine umweltfreundliche Kreditvergabe zu schaffen. In ihrem Schlussbericht (100 Seiten, auf Englisch) hat die Expertengruppe für ein nachhaltiges Finanzwesen einen vorsichtigen Kurs eingeschlagen, indem sie die Idee weder ablehnte noch unterstützte, sondern über die Bedingungen nachdachte, unter denen sie wirksam werden kann.

Andere dagegen lehnen den „Green supporting factor“ klar und deutlich ab: Laut Think Tank Bruegel sei der Vorschlag “unverantwortlich”. Und er könnte sogar dem Ruf eines nachhaltigen Finanzwesens schaden, so das LSE Grantham Institute. Wir sehen die Maßnahme ebenfalls kritisch, doch gefällt uns die Zielsetzung.

Grundsätzlich müssen wir dem EU-Kommissar Anerkennung dafür zollen, dass er auf die Notwendigkeit einer stärkeren öffentlichen Kontrolle über die Kreditvergabedurch Banken aufmerksam gemacht hat. Einzelne Kreditentscheidungen, die aus Sicht der jeweiligen Bank sinnvoll sind, können in der Masse zu großen gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichten führen, was uns schwerwiegende Probleme wie Immobilienbooms und eine grüne Finanzierungslücke beschert. Bislang haben Politiker und Aufseher nur wenige Instrumente dieser Art in Betracht gezogen. Umso wichtiger ist es, Dombrovskis‘ Vorschlag zum Anlass zu nehmen, über Kreditlenkung im Allgemeinen zu diskutieren.

Der Kommissar wagte es auch, die fast religiöse Überzeugung vieler Banker, Wissenschaftler und Gesetzgeber in Frage zu stellen, dass Risikogewichte “rein und genau” sein sollten. In der letzten Finanzkrise zumindest haben risikobasierte Kapitalvorschriften die Steuerzahler nicht geschützt. Bei aller Reinheit und Scheinpräzision wirken sie sinnvoller Risikobereitschaft entgegen und tun nichts, um sich vor unvorhersehbaren Risiken zu schützen. Die meisten vernünftigen Investoren ignorierten die risikobasierten Kapitaladäquanzquoten der Banken völlig, als die Krise 2008 in vollem Gange war. Der Verschuldungsgrad spiegelte das Risiko einer Bankenpleite weitaus zuverlässiger wider und tut es noch heute. Könnten Risikogewichte vielleicht einen besseren Zweck erfüllen, wie z.B. eine grüne Kreditlenkung? Es ist auf jeden Fall eine provokante These.

Abschläge auf bestimmte Sicherheiten und folglich reduzierte Risikogewichte sind grundsätzlich ein schlechter Weg, um grüne Kredite zu fördern. Es gibt inzwischen viele Belege dafür, dass nur extreme Änderungen der Risikogewichte Auswirkungen auf die Kreditentscheidungen der Banken haben. In den Fällen, in denen sie erprobt wurden, hatten sektorspezifische Risikogewichtsanpassungen von 25 % in beide Richtungen nur geringe oder gar keine Auswirkungen auf die Kreditvergabe, so auch bei dem EU-Versuch mit einem Stützfaktor für KMU-Kredite. [1] Erhöhungen um 50% bis 150% haben bei der Reduzierung einiger Kreditarten mehr Erfolg gehabt, was darauf hindeutet, dass Abschläge in ähnlicher Größenordnung erforderlich sein könnten, um die grüne Kreditvergabe zu fördern. [2]

Wäre es daher wirklich ein kluger Schachzug, die Eigenkapitalanforderungen für grüne Kredite zu halbieren? Wenn diese Maßnahme für private Hypotheken gelten würde, die bereits von Eigenkapitalerleichterungen im Rahmen der Verbriefungsregeln profitieren, könnten Banken mit sehr wenig Kapital enorme Schuldenberge anhäufen. Dieser Weg führt schnurstracks in eine neue Finanzkrise.

Europäische Banken haben sich nachdrücklich für einen „Green Supporting Factor“ ausgesprochen. Der KMU-Förderfaktor ermöglichte es ihnen bereits, ihr Eigenkapital um fast 12 Mrd. Euro zu reduzieren.[3] Das ist auf den gesamten Sektor bezogen wenig, aber für einige Banken bedeutet selbst eine minimale Erhöhung des Verschuldungsgrads zusätzliche Gewinne, die sich nicht selten auch in der Ausschüttung der Boni niederschlägt.

Die zitierten Studien zeigen, dass die Eigenkapitalentlastung für grüne Kreditvergabe erheblich sein müsste, um überhaupt Wirkung zu erzielen. Das würde es den Banken erlauben, sich höher zu verschulden, was wiederum die Stabilität des Finanzsystems beeinträchtigen würde. Die Idee des „Green Supporting Factors“ spielt somit zwei legitime Ziele des öffentlichen Interesses – grüneres Finanzwesen und sicherere Banken – gegeneinander aus.

Glücklicherweise kann dieses Dilemma leicht vermieden werden. Man kann auch grüne Finanzierungen fördern, ohne Banken zu schwächen. Ein Risikoaufschlag für die Finanzierung CO2-intensiver Projekte oder Geschäftsmodelle beispielsweise könnte die Banken stärken und gleichzeitig die Kreditvergabe für Aktivitäten im Bereich der fossilen Brennstoffe erschweren. Sowohl die Gesellschaft als auch die Banken würden von einem solchen „Brown Penalising Factor“ profitieren. Die Idee wurde von Olivier Guersent, Generaldirektor bei der Europäischen Kommission (FISMA), auf einer Veranstaltung des Think Tanks Bruegel im vergangenen Jahr eingebracht und fand breite Unterstützung, auch von einigen alternativen Banken wie Triodos.

Zusätzlich zu einem „Brown Penalising Factor“ könnte die Europäische Kommission untersuchen, welche Wirkung Obergrenzen oder Quoten für braune Kredite, CO2-Steuern, Liquiditätshilfen und Garantien für grüne Kredite sowie Subventionen für Kreditnehmer der grünen Wirtschaft haben könnten. An Alternativen mangelt es nicht.

Was den „Green Supporting Factor“ anbelangt, so hat er einige nützliche Fragen zur Kreditvergabe aufgeworfen, die einer weiteren Diskussion bedürfen. Jetzt ist es doch wohlmöglich an der Zeit, den Vorschlag selbst zu verwerfen und sich stattdessen auf Maßnahmen zu konzentrieren, von denen die Gesellschaft und nicht die Banken profitieren.

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Verfasser*in

Greg Ford

Senior Advisor

Über den/die Verfasser*in

Als Senior Advisor berät Greg Finance Watch zu Strategie- und Kommunikationsfragen bei einer Vielzahl von Projekten.

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