Neuer Bericht – Die Schulden, die wir brauchen: Mit zukunftsorientierten Fiskalregeln die Schuldentragfähigkeit stärken

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Auf falschen Informationen beruhende Ängste zu den Finanzmärkten und zur Schuldentragfähigkeit haben die Debatte über die neuen europäischen Fiskalregeln überschattet. Dieser Bericht zeigt die Wechselwirkungen zwischen den europäischen Finanzmärkten und der Staatsverschuldung auf und schlägt Reformen des europäischen Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung (European economic governance framework) vor, die die Schuldentragfähigkeit wahren und öffentliche Investitionen ermöglichen, die für die Zukunft Europas von entscheidender Bedeutung sind.

Anmerkung: Dieser Text ist die Übersetzung eines in englischer Sprache veröffentlichten Texts. Hier das Original lesen

Europa steht vor ernsthaften ökologischen, wirtschaftlichen und geopolitischen Herausforderungen, die mutige Reformen und beträchtliche öffentliche Investitionen erfordern. Basierend auf uninformierten Ängsten vor der Reaktion der Finanzmärkte auf eine höhere Staatsverschuldung errichten die politischen Entscheidungsträger die neuen europäischen Fiskalregeln rund um willkürliche Schuldengrenzen und vernachlässigen dabei die positiven Auswirkungen qualitativer öffentlicher Investitionen.

Solche willkürlichen numerischen Ziele für den Schuldenabbau würden die Ambitionen der politischen Entscheidungsträger einschränken und die Zukunft Europas bedrohen, weil damit Investitionen blockiert würden, die für Widerstandsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Wohlstand von entscheidender Bedeutung sind. Das wäre ein gefährlicher Fehler: Unser Bericht zeigt, dass die Schulden, die zur Finanzierung dieser Investitionen erforderlich sind, von den Finanzmärkten leicht aufgenommen werden können, da diese weniger auf den Schuldenstand eines Landes als auf die allgemeine Stärke und Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft achten.

Dieser Forschungsbericht deckt gängige Missverständnisse zu Staatsverschuldung und Finanzmärkten in Bezug auf die europäischen Fiskalregeln auf und bietet einen praktischen Ansatz für eine Reform des europäischen Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung.

Investoren und Ratingagenturen würden zukunftsorientierte Fiskalregeln begrüßen, die den Mitgliedstaaten Anreize bieten, ihre wirtschaftliche Stärke und Widerstandsfähigkeit durch zukunftsorientierte Investitionen und Reformen zu erhöhen.

Künftige Generationen würden durch die Schulden, die sich aus solchen qualitativen Investitionen ergeben, weniger belastet als durch die zukünftigen Kosten der Untätigkeit.

Unsere Pressemitteilung:

Untersuchungen zeigen, dass die Angst vor Finanzmärkten die Fiskalreform der EU behindert

Anmerkung: Dieser Text ist die Übersetzung eines in englischer Sprache veröffentlichten Texts. Hier das Original lesen

  • Eine neue Studie der europaweiten Nichtregierungsorganisation Finance Watch widerlegt das von Angst geleitete Argument, dass die Finanzmärkte negativ auf eine höhere Staatsverschuldung reagieren würden.
  • Der Bericht untersucht, weshalb die Finanzmärkte auf Kreditratings der Staaten reagieren, einen Indikator, der in der öffentlichen Debatte zur Fiskalpolitik oft mit Schuldenständen in Verbindung gebracht wird. Betrachtet werden die Methoden führender Kreditrating-Agenturen und ihre Auswirkungen auf das Verhalten von Investoren und die Kreditkosten der Länder.
  • Dabei wird ersichtlich, dass zwischen dem Kreditrating eines EU-Landes und seinem Schuldenstand kein fester Zusammenhang besteht. Zwar lassen die Rating-Agenturen die Schuldenquote (Verhältnis der Verschuldung zum BIP) in die Bewertung mit einfließen, deutlich wichtiger ist allerdings die wirtschaftliche Stärke und die institutionelle Widerstandsfähigkeit eines Landes sowie die Finanzierungskosten der Schulden im Vergleich zur Wirtschaftsleistung.
  • Da die EU derzeit ein neues fiskalpolitisches Regelwerk finalisiert, fordert Finance Watch die politischen Entscheidungsträger dazu auf, auf marktgerechten Indikatoren zu setzen, um Schuldenrisiken zu erkennen, dringend benötigte Investitionen von willkürlichen Beschränkungen zu befreien und zukunftsorientierte Investitionen zu fördern.

Die Krise der Eurozone in den Jahren 2010-12 hatte für die EU-Bürger massive Auswirkungen und formte die fiskalpolitischen Positionen jedes Mitgliedstaats. Auch wenn viele der Mängel in der Architektur des Euroraums, die zur Krise beigetragen haben, inzwischen behoben wurden, herrscht immer noch eine übermäßige Angst vor hoher Staatsverschuldung. Bei der Überarbeitung des europäischen Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung, die derzeit in Brüssel stattfindet, stehen den dringend benötigten Fortschritten bei den Fiskalregeln Ängste im Weg. Die von Deutschland geführte Koalition stellt sich gegen neue, rationale Ideen zur Messung der Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung und für zukunftsorientierte öffentliche Investitionen.

In einem heute veröffentlichten Bericht legt Finance Watch, eine europaweit tätige Nichtregierungsorganisation, die sich dafür einsetzt, dass sich der Finanzsektor in den Dienst der Gesellschaft stellt, dar, warum viele dieser Befürchtungen übertrieben sind, unterstreicht die Notwendigkeit, die europäischen Fiskalregelnregeln an die Realität der Finanzmärkte anzupassen, und zeigt den politischen Entscheidungsträgern Reformvorschläge auf.

Das Kernargument des Berichts ist, dass die Finanzmärkte ihr Augenmerk weniger auf Schuldenstände als vielmehr auf Stärke und Widerstandskraft der Wirtschaft legen. Länder-Kreditratings, insbesondere die von S&P, Moody’s und Fitch Ratings ausgegebenen, beeinflussen die Entscheidungen von Investoren. Eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit erhöht die Kreditkosten, eine Verbesserung senkt sie. Dieser Bericht zeigt, dass entgegen dem weit verbreiteten, von Angst getriebenen Argument, die Ratings eines Landes in erster Linie mit der Stärke und Widerstandsfähigkeit seiner Wirtschaft und seiner Institutionen sowie der Erschwinglichkeit seiner Schulden in Verbindung stehen und nicht zwangsläufig mit der Höhe seiner Staatsverschuldung.

Nehmen wir beispielsweise Frankreich, ein Land mit einem hohen Länderrating. Fitch Ratings hat Frankreich vor kurzem um eine Stufe von AA auf AA- herabgestuft, als Begründung wurden politischer Stillstand und soziale Bewegungen angeführt. Hingegen hält S&P an Frankreichs Rating fest und nennt als Gründe zukunftsorientierte Investitionen, Reformen und Erschwinglichkeit der Schulden. Die Schuldenquote wurde in die Analysen zwar mit eingeschlossen, war aber nicht die treibende Kraft hinter den Entscheidungen dieser Rating-Agenturen.

Dieses Argument wird auch durch einen Blick auf die Methodik der führenden Rating-Agenturen bestätigt. In der Methodik von Fitch Ratings, die unter den in diesem Bericht geprüften die transparenteste ist, hat der Indikator für den Schuldenstand ein Gewicht von knapp über acht Prozent, während die Staatsführung mit ca. 20 Prozent und das Pro-Kopf-BIP mit ca. 13 Prozent gewichtet werden.

Finance Watch ruft die politischen Entscheidungsträger dazu auf, den Vorschlag der Europäischen Kommission zu unterstützen, die Fiskalregeln auf detaillierten und dynamischen Schuldentragfähigkeitsanalysen (DSA, steht im Englischen für Debt Sustainability Analysis) zu errichten, die die Situation in den EU-Ländern über die Schuldenquote hinaus ganzheitlich betrachten, und sich nicht länger auf willkürliche Schuldenabbauziele zu verlassen. Da DSA-Design-Entscheidungen nicht neutral sind, fordert Finance Watch die Einrichtung einer Arbeitsgruppe, um die von der Kommission vorgeschlagene Methodik zu verbessern. Die endgültige Methodik müsse finanzmarktbezogene Indikatoren wie die Erschwinglichkeit von Schulden, Schuldenströme, Schuldenstruktur und fiskalische Risiken im Zusammenhang mit möglichen Bankenrettungen und dem Klimawandel besser einbeziehen.

Ludovic Suttor-Sorel, Senior Research & Advocacy Officer bei Finance Watch, sagte:

Die Märkte sind nicht auf die Schuldenquote fixiert und die politischen Entscheidungsträger der EU sollten das auch nicht sein. Willkürliche Schulden- und Defizitgrenzen haben in der Vergangenheit die öffentlichen Ausgaben eingeschränkt und Investitionsbedarfe ignoriert. Angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen, kann es sich Europa nicht leisten, diesem Weg weiter zu folgen. Es ist Zeit für einen neuen Ansatz, der zwischen produktiven und unproduktiven Schulden unterscheidet, Anreize für zukunftsorientierte Investitionen schafft und der die wirtschaftlichen Bedingungen und den Investitionsbedarf der einzelnen Länder berücksichtigt.

In „Die Schulden, die wir brauchen: Mit zukunftsorientierten Fiskalregeln die Schuldentragfähigkeit stärken“ unterstreicht Finance Watch, dass Schulden für zukunftsorientierte Investitionen der Schlüssel dazu sind, Europas wirtschaftliche, soziale, ökologische und geopolitische Herausforderungen in den Griff zu bekommen und zukünftige Generationen weniger belasten als Tatenlosigkeit.

Finance Watch fordert die politischen Entscheidungsträger der EU auf, den Mitgliedsstaaten zu gestatten, eine Liste zukunftsorientierter Investitionen einzureichen, die als ein Teil ihrer nationalen mittelfristigen fiskalisch-strukturellen Planung von den Defizit- und Ausgabengrenzen ausgenommen werden, um den EU-Ländern Anreize für Investitionen in Projekte zu geben, die künftigen Generationen zugutekommen werden. Um Forderungsausfälle für schädliche Projekte zu vermeiden, die eine ungerechte Belastung für künftige Generationen darstellen, weist die Organisation außerdem darauf hin, dass die Qualitätsbewertung der nationalen Pläne in den neuen finanzpolitischen Rahmen der EU verstärkt werden muss.

Investoren würden zukunftsorientierte Änderungen am finanzpolitischen Rahmen der EU begrüßen. An den Finanzmärkten herrscht eine rege Nachfrage nach sicheren Vermögenswerten und Staatsanleihen sind äußerst begehrt. Zwar waren sie in den letzten 30 Jahren weniger rentabel als Aktien oder Unternehmensanleihen, bieten aber die Sicherheit und Liquidität, die der Markt sucht. Die Nachfrage der Investoren nach Staatsanleihen der Eurozone ist doppelt so hoch wie von den Mitgliedsstaaten angeboten wird. Die zuvor angesprochenen Reformen können zu einem Zuwachs der EU-Staatsanleihen beitragen und gleichzeitig diese Schulden sicherer machen. Ein solcher Ansatz würde die Ratings niedriger eingestufter Staaten wie beispielsweise Spanien, Portugal und Italien in erheblichem Umfang verbessern.

Executive Summary

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Ludovic Suttor-Sorel

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Über den/die Verfasser*in

Als Referent für Recherche und Interessenvertretung befasst sich Ludovic mit Fiskalpolitik, nachhaltiger Finanzwirtschaft und der Verbindung zwischen Biodiversität und dem Finanzsystem.

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