Stellungnahme von Finance Watch zu den Vorschlägen der EU-Kommission zu Open Finance und zum digitalen Euro

0

Am 28. Juni hat die Europäische Kommission Legislativvorschläge zu einem Rahmen für ein offenes Finanzwesen (Open Finance) und einen digitalen Euro veröffentlicht. Ziel des Open Finance-Rahmens ist es, den Datenaustausch und den Zugriff Dritter auf Kundendaten für ein breites Spektrum von Finanzsektoren und -produkten zu ermöglichen. Hinter dem digitalen Euro steht hingegen die Absicht, eine robuste und zukunftssichere digitale Version der Gemeinschaftswährung zu schaffen, Wettbewerbsgleichheit auf dem Markt für digitale Zahlungen herzustellen und die Währungshoheit der EU zu stärken.

Anmerkung: Dieser Text ist die Übersetzung eines in englischer Sprache veröffentlichten Texts. Hier das Original lesen

Finance Watch, die europaweit tätige Nichtregierungsorganisation, die sich dafür einsetzt, dass sich der Finanzsektor in den Dienst der Gesellschaft stellt, ist der Ansicht, dass es dem Vorschlag für ein offenes Finanzwesen – offiziell als Rahmen für den Zugang zu Finanzdaten bezeichnet – an wichtigen Sicherheitsvorkehrungen mangelt, die gewährleisten, dass der erhöhte Zugriff auf und die gemeinsame Nutzung von Daten, den das neue Rahmenwerk ermöglichen würde, nicht zu Lasten der Verbraucher:innen geht. Der Vorschlag erkennt die Notwendigkeit eines „Datennutzungsrahmens“ an, der festlegt, wie die personenbezogenen Daten eines/einer Verbrauchers/Verbraucherin bei der Erbringung von Finanzdienstleistungen verwendet werden dürfen. Doch die von der Kommission heute vorgeschlagenen Maßnahmen reichen nicht aus. Um die EU-Bürger:innen vor Fehlverkäufen und finanzieller Ausgrenzung zu schützen, sind nicht Leitlinien, sondern rechtsverbindliche Regeln notwendig. Überdies fehlen in den Vorschlägen zum „Datennutzungsrahmen“ wichtige Anwendungsfälle der Nutzung von Verbraucher:innendaten, insbesondere von Daten, die für Eignungs- und Angemessenheitsprüfungen beim Verkauf von Anlageprodukten für Kleinanleger im Rahmen der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II) herangezogen werden.

Peter Norwood, Senior Research & Advocacy Officer bei Finance Watch kommentierte:

„Ich bin besorgt über den Mangel an Schutzmaßnahmen gegen den möglichen Missbrauch von Verbraucher:innendaten in dem heutigen Vorschlag. Das Risiko von Fehlverkäufen und finanzieller Ausgrenzung ist schlichtweg zu hoch, um sich nur auf Leitlinien zu verlassen. Was wir brauchen, sind rechtsverbindliche Vorschriften.“

Was den digitalen Euro betrifft, ist Finance Watch der Ansicht, dass der Vorschlag der Kommission für den digitalen Euro weitgehend mit dem Rahmen übereinstimmt, der seit einiger Zeit von der Europäischen Zentralbank (EZB) vorgegeben wird. Vorbehaltlich einiger Verbesserungen ist Finance Watch der Ansicht, dass er das Potenzial hat, den europäischen Massenzahlungsverkehr neu zu gestalten und den europäischen Bürgern beträchtliche Vorteile zu bringen. Finance Watch ist der Meinung, dass der digitale Euro für alle EU-Bürger kostenlos zugänglich sein sollte und dass dies im Gesetzestext deutlicher formuliert werden muss. Finance Watch fordert, dass die Regeln keine Unklarheiten bezüglich des Status des digitalen Euro als gesetzliches Zahlungsmittel haben sollten. Gleichzeitig unterstreicht Finance Watch die Notwendigkeit, den Status des Bargelds als gesetzliches Zahlungsmittel zu erhalten, auf das viele schutzbedürftige Verbraucher:innen weiterhin angewiesen sein werden. Die Vereinigung begrüßt deshalb den heutigen Vorschlag der Kommission zu diesem Thema, der die allgemeine Akzeptanz und den Zugang zum Bargeld regelt und stärkt. Und schließlich fordert Finance Watch die politischen Entscheidungsträger dazu auf, die Regeln für den Online-Datenschutz zu stärken.

Christian M. Stiefmüller, Senior Research & Advocacy Advisor bei Finance Watch, sagte dazu:

„Nach all dem Lärm und der Aufregung im Vorfeld der Veröffentlichung hat sich dieser Vorschlag als bemerkenswert ausgewogen erwiesen. Dennoch muss nachgebessert werden: Die Rechte der Bürger:innen auf Zugang und kostenlose Nutzung des digitalen Euro müssen gestärkt werden. Alle Zahlungsdienstleister sollten dazu verpflichtet werden, den digitalen Euro zu gegebener Zeit und ohne Bedingungen zu verbreiten. Und wenn die Bürger:innen dem digitalen Euro vertrauen sollen, müssen die Vorschriften zum Schutz ihrer Privatsphäre bei Nutzung des digitalen Euros noch weiter gehen.“

FINANCE WATCHS BEWERTUNG DER HEUTIGEN VORSCHLÄGE IM DETAIL:

Open Finance (Rahmen für den Zugang zu Finanzdaten)

  • Enttäuschend ist, dass der Vorschlag keine Regeln enthält, die festlegen, welche Daten für die verschiedenen Anwendungsfälle bei der Erbringung von Finanzdienstleistungen genutzt werden dürfen und welche nicht. Dies ist von entscheidender Bedeutung, da ein Fehlen solcher Regeln zum Missbrauch von Verbraucher:innendaten führen und dies wiederum Fehlverkäufe und/oder finanzielle Ausgrenzung zur Folge haben kann. Artikel 7 des Vorschlags enthält eine Aufforderung an die Europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs), Leitlinien zu erstellen, wie Unternehmen Verbraucher:innendaten für Kreditwürdigkeitsprüfungen (CWAs) und Risikobewertungen sowie für die Preisgestaltung von Lebens- und Krankenversicherungen nutzen sollten. Finance Watch weist darauf hin, dass dies nicht ausreicht, weil Leitlinien in diesem Zusammenhang nicht das geeignete Rechtsinstrument sind. Vielmehr sind rechtsverbindliche Maßnahmen auf dem Level 1 oder 2 notwendig. Die Unwirksamkeit von Leitlinien allein wird durch die Ergebnisse einer im Jahr 2022 veröffentlichten Studie von Finance Watch (siehe Seiten 18-19) gestützt. Diese Studie zeigt, dass die bereits bestehenden EBA-Leitlinien für die Kreditvergabe und -überwachung (die auch Leitlinien für CWAs enthalten) nicht sonderlich wirksam sind, um den Missbrauch von Daten zu verhindern. Überdies fehlen im heutigen Vorschlag zum „Datennutzungsrahmen“ andere wichtige Anwendungsfälle der Nutzung von Verbraucher:innendaten. Dies betrifft insbesondere Daten, die für Eignungs- und Angemessenheitsprüfungen beim Verkauf von Anlageprodukten für Kleinanleger gemäß MiFID II genutzt werden.
  • Ein weiterer Mangel des Vorschlags ist das Fehlen klarer und ausdrücklicher Regeln, die vorschreiben, dass die Verbraucher:innen auch dann Zugang zu Finanzprodukten erhalten müssen, wenn sie der Nutzung oder Weitergabe ihrer Daten unter dem offenen Finanzwesen nicht zustimmen. Wenn dies nicht ausdrücklich festgelegt wird, besteht ein echtes Risiko der finanziellen Ausgrenzung.
  • Finance Watch begrüßt jedoch, dass der Vorschlag den Verbraucher:innen angemessene Möglichkeiten bietet, ihre Einwilligung zum Zugriff auf ihre Daten zu erteilen oder zu widerrufen, und dass die Marktteilnehmer verpflichtet sind, den Verbraucher:innen Dashboards für den Zugriff auf Finanzdaten zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus dürfen nur regulierte Finanzinstitute oder Unternehmen, die über eine spezielle Zulassung als Finanzinformationsdienstleister (FISP) verfügen, auf die Daten zugreifen. Im Interesse des Datenschutzes der Bürger:innen und der wirksamen Durchsetzung dieser Vorschriften erscheint es angemessen, die FISP zu verpflichten, Kundendaten in der EU zu speichern und zu verarbeiten.

Digitaler Euro

  • Der digitale Euro sollte für die Eurozone und letztlich für alle Bürger:innen der Europäischen Union allgemein und kostenlos zugänglich sein. Dies sollte alle Arten von (einfachen) Zahlungsvorgängen einschließen, die online und offline zwischen natürlichen Personen und mit Händlern und Unternehmen getätigt werden. Finance Watch stellt fest, dass diese Anforderung im Vorschlag abgedeckt ist, aber möglicherweise einer weiteren Klärung bedarf, zum Beispiel in Hinblick auf indirekte Gebühren.
  • Die Möglichkeit für die Bürger:innen, den digitalen Euro bei öffentlichen Dienstleistern zu halten, darf keine fiktive Anforderung sein: Die Mitgliedstaaten müssen nicht nur verpflichtet werden, Stellen zu benennen, die für die Erbringung dieser Dienste zuständig sind, sondern auch sicherstellen, dass diese Stellen hinsichtlich Ressourcen und geografischer Präsenz in der Lage sind, ihren Auftrag umfassend und effizient zu erfüllen.
  • Es darf keine Unklarheit über den Status des Digitalen Euro als gesetzlichem Zahlungsmittel bestehen. Die vorgeschlagenen Ausnahmen von der obligatorischen Annahme von Zahlungen in digitalem Euro sind aus Gründen der Verhältnismäßigkeit durchaus gerechtfertigt. Weitere Ausnahmen sollten jedoch auf das erforderliche Maß beschränkt werden, um den rechtlichen Befugnissen der EU und der Mitgliedstaaten sowie der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Rechnung zu tragen.
  • Der Erfolg des digitalen Euro hängt weitgehend von seiner breiten Akzeptanz und Nutzung ab. In einem notorisch konzentrierten Markt ist die Zusammenarbeit der großen privaten Anbieter von Zahlungsdienstleistungen von besonderer Bedeutung. Die Pflicht, den digitalen Euro neben den bestehenden privatwirtschaftlichen Zahlungslösungen (E-Geld) zu vertreiben, sollte daher auf alle in der Europäischen Union zugelassenen Zahlungsdienstleister ausgedehnt werden, natürlich vorbehaltlich von Übergangsregelungen und gegebenenfalls begrenzten Ausnahmen.
  • Die Akzeptanz des digitalen Euro hängt auch in hohem Maße von seiner Kompatibilität mit der erforderlichen Hard- und Software ab. Die Europäische Union sollte aktiv mit den globalen Technologieanbietern, insbesondere den Herstellern von Mobiltelefonen, zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die erforderlichen technischen Standards so rasch wie möglich entwickelt und umgesetzt werden. Um diese Bemühungen zu unterstützen, könnten gesetzgeberische Maßnahmen, ähnlich der erfolgreichen Standardisierung des einheitlichen Ladeanschlusses für Mobilgeräte durch die überarbeitete Funkgeräterichtlinie, erforderlich sein und sollten zu gegebener Zeit geprüft werden.
  • Die europäischen Bürger:innen werden dem digitalen Euro nur dann vertrauen und ihn annehmen, wenn sie sicher sind, dass ihre Privatsphäre angemessen geschützt ist. Finance Watch räumt ein, dass einige Zugeständnisse gemacht werden müssen, um sicherzustellen, dass der Digitale Euro nicht zu einem Einfallstor für illegale Aktivitäten wie Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung wird. Während der Vorschlag einen potenziell praktikablen Ansatz für Offline-Zahlungen enthält, könnte die vorgeschlagene Behandlung von Online-Zahlungen verbessert werden.
  • Finance Watch teilt die Ansicht, dass plötzliche Abzüge von Einlagen ein potenzielles Systemrisiko für den Bankensektor darstellen könnten, und stimmt grundsätzlich mit der Notwendigkeit überein, Obergrenzen für das Halten von Einlagen anzuwenden. Diese Beschränkungen sollten nicht restriktiver sein als die bereits für ähnliche Anwendungen bestehenden und sie sollten in jedem Fall von der Europäischen Zentralbank festgelegt werden.
0 Kommentare
Hinterlasse einen Kommentar
0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

Ihre Email-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mit * gekennzeichnet.

Unser Newsletter

Die wichtigsten Mitteilungen direkt in Ihr Postfach

Das Blog für eine Finanzwirtschaft, die der Gesellschaft dient Newsletter